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Fotocredits: worldsportpics.com / Koen Suyk

Rebecca Grote im Porträt / Die "Spätberufene" spielt Mittwoch mit den DANAS gegen Irland

Rebecca Grote: „Hatte das Kapitel schon geschlossen!“

20. August 2019

20.08.2019 - Im Pressezentrum der Hockey-Europameisterschaft in Antwerpen wird von der neuen „Waffe“ der Damen-Nationalmannschaft gesprochen, wenn es um Rebecca Grote geht. Mit vier Toren im EM-Eröffnungsspiel der DANAS gegen Weißrussland hat Grote eine Marke gesetzt, die im internationalen Hockey selten erreicht wird. 

Doch die vor zwei Wochen 27 Jahre alt gewordene Kölnerin ist auch sonst keine „typische“ DHB-Nationalspielerin. „Betzi“, wie die Standardspezialistin im Mannschaftskreis gerufen wird, ist das, was man eine Spätberufene nennt – und das kommt im engmaschigen Fördersystem des deutschen Hockeys sehr selten vor.

Bis zur U21-Nationalmannschaft gehörte die beim HC Essen groß gewordene Sportmanagement-Absolventin dazu – machte 85 Jugend-Länderspiele, erzielte dabei 32 Tore. Nach der insgesamt enttäuschenden Juniorinnen-WM 2013 war dann aber plötzlich Funkstille. „Ich wurde nicht mehr berücksichtigt“, erinnert sich Grote. „Das war schon eine große Enttäuschung. Rückblickend betrachtet war ich damals aber tatsächlich noch nicht so weit – weder in der menschlichen Entwicklung noch athletisch.“

Sie sei sehr schüchtern gewesen, dadurch auch auf dem Platz oft etwas gehemmt – erinnert sie sich. Obwohl Rebecca mit Rot-Weiss Köln in der Liga durchaus große Erfolge feierte und nicht selten mit ihren Toren auch Zünglein an der Waage war bei deutschen Endrunden, wurde es still um ihre Nationalmannschaftskarriere, die eigentlich immer das größte Ziel der ehrgeizigen Sportlerin war. „Ich hatte da schon einen Haken dran“, gibt Grote unumwunden zu. „Als ich nach Abschluss meines Sportmanagement-Studiums noch nicht gleich wusste, was ich beruflich machen sollte, habe ich in Spanien bei Club de Campo Madrid für ein Jahr zugesagt, um mal was Neues kennenzulernen und weil die Sprache mich reizte.“

Wie sollte ein ausländischer neuer Bundestrainer in Spanien auf mich aufmerksam werden?

Rebecca Grote

Ausgerechnet in der Phase meldete sich Xavier Reckingers Bundestrainer-Vorgänger Jamilon Mülders plötzlich bei ihr. „Ich habe abgesagt, weil ich mich in Madrid schon verpflichtet hatte. Dann kam der Bundestrainerwechsel und ich habe gedacht: Okay, das Kapitel ist geschlossen. Wie sollte ein Trainer aus dem Ausland auf mich in der spanischen Liga aufmerksam werden?“ Doch es war dann wohl ihr Einsatz mit Madrid beim Europapokal, auf dem Xavier Reckinger hospitierte, der die inzwischen 26-jährige Strafeckenspezialistin beim belgischen Neu-Bundestrainer auf den Zettel brachte.

„Ich hatte plötzlich eine Sprachnachricht in englischer Sprache auf der Mailbox, die ich mir dann völlig überrascht angehört habe“. Diese Sprachnachricht änderte alles im Leben von Rebecca Grote. Sie entschied sich gegen eine Verlängerung in Madrid, kehrte zu Rot-Weiss Köln zurück. Und sie stieg in die aufwändigen Stützpunkttrainings und Lehrgänge der DANAS voll ein, arbeitete sich nicht nur athletisch an den inzwischen sehr hohen Mannschaftsstandard heran, sondern empfahl sich über die Einsätze in der Pro League, wo sie mit fünf Treffern gemeinsam mit Nike Lorenz und Hannah Gablac zweitbeste Torschützin der DHB-Damen wurde, mehr und mehr für den Kader, bis Reckinger ihr im Juni den letzten EM-Startplatz gab.

Nun richtet die gebürtige Essenerin ihr Leben komplett auf den Leistungssport ein. Am 1. September beginnt Rebecca ein Bachelorstudium bei der Polizei, die als Arbeitgeber für Leistungssportler ideale Rahmenbedingungen bietet. Ziel von Rebecca Grote ist ganz klar Olympia 2020 in Tokio. „Dafür müsste ich gleich mit zwei Pausensemestern beginnen – aber das war bei den Einstellungsgesprächen bei der Polizei kein Problem.“

Reckinger hatte für sie eine andere Rolle parat

Dass Rebecca flexibel ist, hat die Kämpferin mit dem markanten wippenden, dunklen Pferdeschwanz bei den DANAS sofort bewiesen. In ihrer Ligamannschaft war sie früher die Kreisstürmerin, die vorn für die Tore sorgt und Ecken erarbeitet, um sie selbst zu verwerten. Reckinger hatte für Grote eine andere Rolle parat. Bei ihm „ackert“ sie im defensiven Mittelfeld, ist oft erste Anspielpartnerin für die Abwehr bei Bällen aus der Bedrängnis. „Mir liegt das absolut, bei Köln spiele ich jetzt auch eher defensiv, ich bin eine Arbeiterin! Dennoch bin ich froh, dass ich neben Nike Lorenz die Ecken schießen darf – so habe ich verlässlich wenigstens einige Kreisszenen im Spiel. Das würde ich sonst schon vermissen.“

Die Zweikampfhärte hat Rebecca Grote ja vielleicht auch von den Duellen mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Dinah, die für Uhlenhorst Mülheim in der Bundesliga spielt und ebenfalls eine interessante DHB-Karriere aufweist. Sie wurde mit den Hallen-Nationalteams 2011 Welt- und 2012 Europameisterin und hat Rebecca damit zwei internationale Titel voraus. In der Hallen-Bundesliga gibt es oft harte Duelle zwischen Köln und Mülheim, und da Rebecca auf dem Hallenparkett in der Abwehr spielt, treffen beide Schwestern nicht selten direkt aufeinander.

"Es war harmonischer gegeneinander zu spielen, als miteinander!"

„Das sind die Momente, wo es für unsere Eltern schwer ist“, grinst die jüngere Grote-Schwester. „Aber wir haben irgendwann gemerkt, dass es harmonischer ist, wenn wir gegeneinander, statt miteinander spielen, weil wir ähnlich ehrgeizig waren und auf der gleichen Position gespielt haben.“ Während Rebecca im HC Essen groß wurde, in dem schon ihr Großvater Hockey spielte, wuchs Dinah beim ETUF auf, weil in ihrem Jahrgang keine adäquate Mannschaft existierte. Und so ist die Rivalität bei den Schwestern also eine lange etablierte Situation. „Trotzdem haben wir uns immer unterstützt“, sagt Rebecca. „Wenn wir mit Köln eine Endrunde erreicht haben, ist Dinah mitgefahren, und wenn Mülheim uns den Platz abgeluchst hat, bin ich als Fan mit dabei gewesen.“

Wenn die DANAS am Mittwoch gegen Irland um den Einzug ins Halbfinale spielen, dann wird also vermutlich Dinah die Daumen für ihre kleine Schwester drücken und mitfiebern. Den Gegner kennt Rebecca vom direkten Aufeinandertreffen mit dem Nationalteam noch gar nicht, hat aber natürlich das „Sommermärchen“ der Irinnen 2018 bei der WM in London verfolgt. „Ich finde es nicht fair, da von einem Glückstreffer zu sprechen. Die Vize-Weltmeisterschaft haben sich die Irinnen hart erarbeitet. Das wurde dort mühsam aufgebaut.“ Deswegen rechnet sie auch mit einem harten Match gegen das Team von der Grünen Insel, in dem ein Punkt für die Halbfinal-Teilnahme reicht, aber mit einem Sieg auch der Gruppensieg realisiert werden könnte. „Wir müssen alles reinwerfen – so wie in der zweiten Hälfte gegen England – dann schaffen wir das auch!“

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