Olympische Spiele Paris 2024
Christopher Rühr über sein Comeback und die Verletzungspause
25. July 2024
Es war der 20. Januar 2024, als am Ende des ersten Viertels im Halbfinale des Olympic Qualifiers Deutschland gegen Pakistan ein lauter Aufschrei durch den Oman ging. Christopher Rühr, der 2023 das Trikot der Nationalmannschaft in den Schrank hängte, um sich kurzzeitig auf sein Studium zu konzentrieren, lag bei seinem Comeback-Turnier, schmerzverzerrt am Boden – spätere Diagnose: Kreuzbandriss.
Genau 141 Tage dauerte es, bis CR17 in der FIH Pro League gegen Indien wieder auf dem Platz stand und gleich traf. Viel Disziplin, eine Menge Schweiß und eine hochprofessionelle Betreuung sind der Grund dafür, dass sein olympischer Traum lebt: Christopher Rühr wird bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris auf dem Platz stehen und seine dritte Olympiateilnahme perfekt machen.
„Das war die Entscheidung, die mir am meisten bevorstand. Welche Therapie? Welche Operation wähle ich? Ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass man eine solche Verletzung auch konservativ behandeln kann”, erzählt Christopher Rühr knapp zwei Wochen vor den Olympischen Spielen. Die Aussage unterstreicht seinen Ehrgeiz, seine Liebe zum Hockey und seinen unglaublichen Willen, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Eine Kreuzbandoperation hätte den 30-Jährigen sechs bis neun Monate außer Gefecht gesetzt und die Olympiateilnahme wäre sicher ins Wasser gefallen. Der Stürmer zögerte keine Sekunde und entschied sich sofort für eine konservative Behandlung und einen Wettlauf gegen die Zeit, um in Paris dabei zu sein. Konservativ bedeutet: "Man lässt das Kreuzband gerissen und kompensiert die Stabilität im Knie, die das Kreuzband sonst gibt, durch reinen Muskelaufbau in den umliegenden Strukturen”, schildert er.
Viele Tage zwischen Verletzung und Comeback trainierte Rühr vor allem im Reha-Zentrum von Bayer 04 Leverkusen: „Die Jungs von Bayer 04 hätten mich nicht aufnehmen müssen. Die hätten auch sagen können, wir sind hier für den Fußball zuständig. Aber es war genau das Gegenteil. Wie herzlich und professionell ich dort aufgenommen wurde, dafür bin ich immer noch sehr dankbar. Ohne diese professionelle Reha wäre das alles nicht so gut gelaufen”, schwärmt der 30-Jährige. Der Dank gelte aber auch dem Mannschaftsarzt des DHB, Philip Ibe, Rührs Familie, seinen Freunden und ganz besonders seiner Freundin Nike Lorenz, die genauso gelitten habe wie er. Als Kapitänin der deutschen Damen-Hockeynationalmannschaft verstand sie besser als jede andere, was auf dem Spiel steht.
Glücklicherweise verlief die Rehabilitation tadellos. Gerade bei Sportlern, die rechtzeitig zu den Olympischen Spielen wieder fit sein wollen, sind schwere Verletzungen oft mit mentalen Tiefs und Hürden verbunden. Für Christopher Rühr war es eine positive Überraschung: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt Rückschritte gemacht. Auch bei neuen Dingen wie meinem ersten Sprint oder Richtungswechseln hat immer alles geklappt. Dementsprechend hatte ich auch mental nie einen Punkt, wo ich hätte denken müssen, wenn das jetzt nicht klappt, wird es eng.” Eine Kreuzband-Operation nach den Olympischen Spielen sei erst einmal nicht geplant. „Man hat mir gesagt, dass ich das mein Leben lang machen kann”, lacht der deutsche Stürmer. Außerdem hat Christopher Rühr einen neuen besten Freund auf dem Hockeyfeld - seine Knieorthese. „Ich spiele jetzt mit einer Knieorthese, die mir Stabilität gibt und verhindert, dass ich nach links oder rechts wegknicke und mir vielleicht noch schlimmere Verletzungen zuziehe.”
Christopher Rühr wird ab dem 27. Juli 2024 bei seinen dritten Olympischen Spielen mit seinem neuen besten Freund auf dem Platz stehen und versuchen, Deutschland zum Olympiasieg zu schießen. Ein Lächeln huscht über CR17s Gesicht und seine Augen strahlen, als er versucht, das Gefühl zu beschreiben: „Ich habe mich unheimlich gefreut, dass das alles so geklappt hat. Wir sind mit dem Rehaplan schneller vorangekommen als geplant und dass es jetzt geklappt hat, ist wirklich nicht in Worte zu fassen”. In Paris wolle er dem Team alles geben und zieht am Ende seiner Verletzungspause ein interessantes Fazit: „So eine Verletzung prägt dich, das gehört zur Entwicklung eines Menschen dazu. Sie macht einen stärker, weil man sich auf andere Dinge konzentrieren muss und merkt, dass es von einem Moment auf den anderen vorbei sein kann mit dem, was man liebt. Es hat mir sehr geholfen, Menschen um mich zu haben, die wissen, was ich durchmache und mich unterstützen.”
Eine von ihnen war sicherlich DANAS-Kapitänin Lorenz. Nach den Olympischen Spielen müsse der Fokus etwas weg vom Hockey, sagt Rühr. Dann steht die Familie im Mittelpunkt, denn anschließend wird geheiratet.