Der deutsche Olympiaschiedsrichter Christian Blasch im Interview

Olympia: "Der Videoschiedsrichter nimmt einem den Druck!"

03. August 2012

03.08.2012 - Christian Blasch wird am heutigen Freitag als Schiedsrichter seine dritte Partie bei den Olympischen Spielen in London leiten. Der 37-jährige Diplom-Betriebswirt aus Mülheim ist dieses Mal der einzige deutsche Hockey-Unparteiische, da der Weltverband keine weibliche Schiedsrichterin aus Deutschland für das olympische Turnier nominierte. Bei den männlichen Umpires gilt „Blaschko“ als einer der Besten weltweit. 115 Partien hat der junge Familienvater (ein Sohn, 2,5 Jahre) international schon geleitet. Die Spiele in London sind seine dritten. Im Interview erzählt er über seine bisherigen Eindrücke vom Turnier in London.

Christian, die Spieler haben die Tage vor dem Turnier „touristisch“ genutzt. Wie war das bei Dir?
Christian Blasch: „Ich bin Donnerstag angereist. Dann hatten wir gleich Einkleidung und Meeting. Freitag gab es Video-Briefing, Samstag noch ein Treffen mit den Trainern für ein Regelauslegungsbriefing. Es gab also relativ viele Treffen. Wir Schiedsrichter waren ziemlich viel zusammen. Da war eigentlich gar keine Zeit, um sich etwas anzuschauen. In Peking hatten wir ein einwöchiges Preparation Camp. Das gab es diesmal nicht!“

Wie gefallen Dir die Spiele denn bislang?
Christian Blasch: „Ich finde sie insgesamt sensationell. Die Eröffnungsfeier allein war schon beeindruckend. Es ist natürlich eine ganz andere Mentalität als in Peking. Da war vieles traditioneller.“

Und das Hockeyturnier?
Christian Blasch: „Ich finde, es geht hier auf sehr hohem Niveau ganz schön zur Sache. Man merkt einfach, dass schon in der Vorrunde jeder Punkt zählt. Es gibt überhaupt keine leichten Spiele mehr. Die Teams sind sehr professionell aufgestellt.“

Welche Entwicklung bedeutet das auch für die Schiedsrichterei?
Christian Blasch: „Es ist körperlich viel anstrengender geworden, weil das Tempo so hoch ist. Du musst als Umpire physisch und mental voll auf der Höhe sein. Da ist man dann froh über jeden Ruhetag, den man hat. Das ist wahrlich kein Urlaub hier für uns. Man hat jeden Tag zwei Ansetzungen – ein eigenes Spiel und ein Match als Reserve- oder Video-Umpire. Das sind ganz schön lange Tage im Stadion!“

Die Videoschiedsrichter stehen stark im Fokus des Interesses, aber manchmal auch in der Kritik... 
Christian Blasch: „Das Problem, das du als Video-Umpire hast, ist, in relativ kurzer Zeit anhand der dir zur Verfügung stehenden Bilder eine Entscheidung treffen zu müssen. Eigentlich bleibt da fast nichts unentdeckt. Deshalb hat es mich selbst überrascht, dass es mehrere „no advice“-Entscheidungen gab – als Szenen, in denen der Videoschiedsrichter die Entscheidung nicht zu treffen vermochte. Aber bei spielentscheidenden Szenen, wie Ecken, Siebenmetern oder Toren, gibt es eigentlich immer eine klare, belegbare Entscheidung. Anders ist das bei so genannten Interpretationsentscheidungen. Wenn ein Schiedsrichter eine Entscheidung aufgrund einer persönlichen Interpretation einer Szene – zum Beispiel bei gefährlichem Spiel – trifft, wird der Videoschiedsrichter nur korrigieren, wenn es glasklar falsch ist!“

Wie stehst Du persönlich zum Einsatz des Videoschiedsrichters?
Christian Blasch: „Ich habe überhaupt kein Problem damit, den Kollegen am Video zu befragen. Es gibt einfach Sachen, die du nicht sehen kannst. Und dann nimmt dir diese Möglichkeit den Druck. Es ist viel deeskalierender, als zum Beispiel mit einer falschen Strafeckenentscheidung weiterzumachen.“

Wie oft hast Du den Videoschiedsricher bislang befragt?
Christian Blasch: „Zweimal. Und beide Male hatte ich falsch gelegen. Aber im Gegensatz zu den Teams hatte ich damit ja nicht das Recht verwirkt, ihn nochmal zu nehmen.“ (lacht)

Wie oft sieht man sich als Schiedsrichter eigentlich mit den deutschen Teamkollegen, also den Spielern und Trainern?
Christian Blasch: „Eigentlich nur, wenn man sich im Stadion mal über den Weg läuft. Und das ist meistens mit den Jungs vom Videostaff, also Werner Wiedersich oder Stefan Kermas. Allerdings bin ich ja auch nicht als deutsches Teammitglied hier, sondern bin über die FIH nominiert für Olympia. Da ich mit DHB-Präsident Stephan Abel und dem DHB-Vorstand im gleichen Hotel wohne, habe ich die aber zumindest mal kurz getroffen.“

Weiß Du denn längerfristig, wie es für Dich im Turnier weiter geht?
Christian Blasch: „Die Ansetzung erfährt man immer erst am Vorabend des Spieltags. Da wird von den Verantwortlichen geschaut, welche Paare auf dem Platz gut zusammen passen. Und später hängt es natürlich auch von den Spielpaarungen in den Play-offs ab.“

Apropos, man konnte lesen, dass Du den deutschen Herren die Finalteilnahme gönnst und dafür gern in Kauf nimmst, dass Du dann ja das Endspiel nicht leiten dürftest...
Christian Blasch (lacht wieder): „Sagen wir mal so: Ich kann ja nur die Sachen beeinflussen, die in meiner eigenen Kraft liegen. Insofern versuche ich, so gute Leistungen wie möglich abzuliefern. Und dann schauen wir mal, was die Spielkonstellationen so ergeben!“

Wirst Du in London nach dem Turnier noch ein paar Tage dranhängen können? Und hast Du Unterstützung von Familie und Freunden?
Christian Blasch: „Also, die Schlussfeier werde ich auf jeden Fall noch mitnehmen, aber Montagmorgen reise ich dann zurück, weil ich auch wieder arbeiten muss. Ich freue mich auf meine Frau, die zwei Tage vor den Halbfinals zu Besuch kommt. Unseren Sohn nimmt sie aber noch nicht mit. Der Trubel wäre für ihn noch zu groß. Der bleibt bei Oma und Opa – und die freuen sich schon darauf!“

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