
Interview Natascha Keller
"Einfach machen" – Natascha Keller über Hockey-Nachwuchs, kreative Freiräume und die Pro League vor der Tür
08. May 2025
Olympiasiegerin Natascha Keller spricht im Interview über ihre Rückkehr zum Hockey, warum Kreativität wichtiger ist als Drill – und was Kinder vom Zuschauen lernen.
Natascha Keller ist eine der erfolgreichsten deutschen Hockeyspielerinnen aller Zeiten. Sie bestritt 425 Länderspiele, gewann 2004 olympisches Gold in Athen und trug 2012 als erste Hockeyspielerin die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Heute gibt sie ihre Erfahrungen im Berliner Hockey-Club weiter – als sportliche Leiterin der weiblichen Jugend und Mitglied im Beirat des DHB-Alumni-Netzwerks.
Natascha, Du arbeitest heute wieder im Hockey. Vermisst hast Du es offenbar nicht sofort?
Nach dem Karriereende war es genau richtig, erstmal Abstand zu gewinnen. Ich habe im Sportmarketing gearbeitet und gemerkt, wie gut es tut, aus dem Rampenlicht zu treten. Aber der Weg zurück zu meinem Sport hat sich nach und nach ganz organisch ergeben – jetzt bin ich wieder mit ganzem Herzen dabei. Vor allem die Arbeit mit den Kindern macht unglaublich viel Freude.
Was genau machst Du im Berliner HC?
Ich bin aktuell Haupttrainerin der wU8, wU10 und wU14, organisiere unsere Feriencamps und plane dort auch Inhalte und Trainerteams. Wichtig ist mir dabei, dass Kinder mit Spaß und Abwechslung ans Hockey herangeführt werden – aber auch Talentförderung kommt nicht zu kurz.
Wie schaffst Du es, beides zu vereinen: Spaß und Leistung?
Mir ist wichtig, dass Kinder im Training Freude erleben und Freiräume haben. Die ersten fünf Minuten eines Trainings gehören den Kindern: Da machen sie, was sie wollen – dribbeln, schießen oder einfach quatschen. Diese Eigeninitiative stärkt Kreativität und Selbstvertrauen.
Ein schönes Beispiel?
Ein Mädchen aus der wU8 hat sich selbst eine Torwartausrüstung gebastelt – nur um sich in der Schule als Hockeytorhüterin zu verkleiden. Ihre Begeisterung war so ansteckend, dass Mitschülerinnen zum Probetraining kamen. Solche Geschichten zeigen, wie sehr Kinder durch freie Entfaltung für den Sport brennen können.
Wie gehst Du mit unterschiedlichen Leistungsniveaus in einem Team um?
Das ist oft eine Herausforderung. In der U8 und U10 können wir gut mit mehreren Leistungsgruppen arbeiten. In der U14 haben wir dafür nicht mehr genug Spielerinnen, da braucht es Kreativität. Ich versuche, jedem Kind die gleiche Wertschätzung zu geben – egal, auf welchem Level es gerade steht.
Und wie viel Leistung steckt in Deinem Konzept?
Wettbewerbe sind wichtig. Kinder wollen sich messen – das darf auch sein. Aber Leistungsbereitschaft muss von innen kommen. Die, die später den Sprung ganz nach oben schaffen, trainieren sowieso von selbst härter. Da ist meine Aufgabe, sie zu begleiten und zu unterstützen – nicht, sie zu drängen.
Du baust auch gezielt Verbindungen zu Vorbildern auf, oder?
Absolut. Ich ermutige die Kinder, sich Bundesliga-Spiele anzusehen. Das motiviert ungemein. In Camps trainieren manchmal Bundesligaspielerinnen mit, und wir konnten mit Linnea Weidemann sogar eine Nationalspielerin als Co-Trainerin gewinnen – ein echter Glücksfall.
Du integrierst auch andere Sportarten ins Training. Warum?
Weil’s gut fürs Hockey ist. Tennis, Lacrosse oder Golf schulen koordinative Fähigkeiten, die im Hockey essenziell sind. Ich selbst habe lange Tennis gespielt – das hilft mir heute noch. Spezialisierung kommt früh genug, aber in jungen Jahren ist Vielfalt ein Vorteil.
Die Pro League kommt im Juni nach Berlin. Freust Du Dich?
Riesig! Weltklasse-Hockey im eigenen Verein zu erleben – besser geht’s nicht. Das ist für unsere Kinder ein Highlight, schafft Nähe und Begeisterung. Wir werden auf jeden Fall dabei sein – das Ernst-Reuter-Spielfeld ist schließlich unser Zuhause.
Lust auf die Pro League in Berlin? Hier gibt es noch Tickets.
Interview: DHB