hero image
Fotocredits: WORLDSPORTPICS/FRANK UIJLENBROEK

Interview Gonzalo Peillat

„In dem Moment in dem ich mich dazu entschieden habe, für Deutschland zu spielen, habe ich mich auch dazu entschieden 100% dafür zu geben."

20. July 2023

Seit anderthalb Jahren trägt Gonzalo Peillat das Trikot der deutschen Hockey-Nationalmannschaft. Mit dem Gewinn des Weltmeistertitels im Januar 2023 hätte sein Start nicht besser verlaufen können. Mit sechs Toren im Turnierverlauf und seiner unvergleichlichen Strafecke trug er maßgeblich zum Gewinn des Weltmeistertitels bei. Wie Gonzalo Peillat neben dem Platz tickt und was er sich von der bevorstehenden Heim-EM erhofft, erfahrt ihr hier.

Du hast sehr lange für die argentinische Nationalmannschaft gespielt und auch dort bereits sehr erfolgreich, bis du 2022 die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hast. Seither läufst du für den DHB auf und in der jüngsten Vergangenheit auch sehr erfolgreich. Wie hat sich der Gewinn der Weltmeisterschaft in Indien angefühlt?
Es war ein sehr wichtiges Turnier, da es das erste große Turnier für mich mit der Nationalmannschaft war. Es war etwas unglaubliches. Wir haben den ganz Weg bis zum Titel genutzt, einfach gesagt: “Es war krass”.

Du bist Olympiasieger und Weltmeister. Was würde es für dich als gebürtigen Argentinier bedeuten, den Europameistertitel zu gewinnen?
In dem Moment in dem ich mich dazu entschieden habe, für Deutschland zu spielen, habe ich mich auch dazu entschieden 100% dafür zu geben. Ab dem Zeitpunkt war es egal, ob ich in Argentinien gespielt habe und was ich als Spieler für Argentinien gemacht habe. Ich gehe damit sehr professionell um. Jetzt im August findet die Europameisterschaft statt, worauf ich mich sehr freue. Es wird bestimmt sehr schwer, da es viele gute Mannschaften gibt, aber wir befinden uns in einem guten Vorbereitungsprozess. Ich freue mich sehr darauf für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, da wir bisher gemeinsam noch kein grosses Turnier in Deutschland gespielt, freue ich mich umso mehr auf die HEIM EM in Mönchengladbach.

Fotocredits: WORLDSPORTPICS/FRANK UIJLENBROEK

Du kennst die Begeisterung von Hockeyfans auf der ganzen Welt. Für euch Spieler ist es das erste große Hockey Ereignis in Deutschland vor den heimischen Fans, was erwartest Du?
Ich erwarte eine grandiose Stimmung, darauf freue ich mich. Vor ein paar Tagen habe ich auch schon gesehen, dass die Karten für den Finaltag ausverkauft sind. Ein tolles Signal für die Mannschaft, die Fans sollen es genießen können und wir wollen dazu mit gutem und erfolgreichen Hockey beitragen.

Kommen wir jetzt aber mal zu dir persönlich. Du hast einen der besten und gefürchtetsten Eckenschlenzer der Hockeywelt. Wo siehst Du neben der Ecke deine Stärken im Spiel und wie würdest du dich als Hockeyspieler beschreiben?
Ich bin ein sehr ruhiger Spieler. In den letzte Jahren mit der Nationalmannschaft habe ich ein bisschen mein Spiel verändert, da ich dort als Außenverteidiger spiele. Heute spiele ich für die Mannschaft etwas offensiver. Mich hat das als Spieler noch einmal weiterentwickelt und ich bin mit dieser neuen Aufgabe weiter gewachsen. Meinem Spiel tut das natürlich sehr gut. Hinzu kommt, dass ich immer versuche viel Kommunikation auf und neben dem Platz mit meinem Mitspielern zu haben, denn es geht nicht immer nur um Hockey, sondern auch um eine gute Stimmung miteinander ausserhalb des Platzes.

Fotocredits: WORLDSPORTPICS/FRANK UIJLENBROEK

Wie kam der Wechsel zum Mannheimer HC zustande?
Der erste Kontakt zum Mannheimer Hockeyclub kam durch Guido Barreiros in der Saison 2015-16 zustande, als MHC auf der Suche nach einem Verteidiger und Eckenschützen war. Dann haben wir viel mit Mike McCann, dem damaligen Trainer der ersten Mannschaft, gesprochen, der meiner Verlobten und mir geholfen hat, den Vereinswechsel so reibungslos wie möglich zu gestalten. Mit meiner Verlobten für denselben Verein spielen zu können, hat uns zu sehr motiviert und war ein tolles Argument für den Wechsel.

Wie entstand der Kontakt zum DHB?
Der erste Kontakt kam über Kais Al Saadi Ende 2020. Er hat mir einfach eine Nachricht geschrieben, um zu fragen, ob er mich anrufen kann. Als ich die Nachricht gesehen habe, war das erste, was mir in den Sinn kam, dass die deutsche Mannschaft Hilfe bei kurzen Ecken braucht.
Als wir dann telefoniert haben war sein Thema aber ein ganz anderes, entsprechend sprachlos war ich. Mir war schnell klar, dass es eine sehr Einzigartige Chance war und ist für die deutsche Herren Hockey Nationalmannschaft zu spielen, daher wollte ich mir wirklich eine Menge Zeit für diese grosse Entscheidung nehmen und nichts überstürzen.  Nach ungefähr 18 Monaten habe ich dann erneut den Kontakt aufgenommen, allerdings wurde dann kurze Zeit später ein neuer Bundestrainer mit André Henning vorgestellt. Sowohl mit  André als auch dem damaligen Sportdirektor Chris Menke sind wir dann allerdings in den Prozess eingestiegen um aus mir einen deutschen Nationalspieler zu machen.

 Wie fühlen Sie sich derzeit: Als Argentinier, als Deutscher, als Mannheimer – oder von allem etwas?
In erster Linie fühle ich mich sehr gut und sehr gesund, ich mag es, ein Mensch mit zwei Kulturen zu sein und damit meinen Horizont auch erweitert zu haben. Besonders meine Weggefährten reflektieren mir immer wieder, dass es super ist das ich nicht das sage was andere sagen würden, sondern ich immer eine andere Sichtweise mit ins Spiel bringe. Ich versuche immer viel Zeit mit den Leuten um mich herum zu verbringen und somit jeden einzelnen Moment in einer Gruppe zu genießen, ich bin keine Person, die lange auf Lehrgängen oder Länderspielreisen im Zimmer bleibt, bin mir aber nicht sicher ob sich das der ein oder andere nicht lieber wünschen würde.

Verstehst du deine Rolle bei der HONAMAS offensiver als beim MHC?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin jemand, der schnell lernt und Sachen annimmt. Ich freue mich sehr wenn mir neue Aufgaben gegeben werden, ich passe mich dann gerne an und versuche das beste daraus zu machen. Unterschiedliche Rollen sind sicherlich für jeden Hockeyspieler eine grosse Herausforderung, es ist eine große Chance sich weiterentwickeln.

Wie verbringst Du deine Zeit abseits des Hockeyplatzes?
Ich arbeite beim Mannheimer HC. In meiner Position als Campmanager, verantworte ich die Sommer- und Wintercamps des Vereins. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Wir haben damit vor drei Jahren angefangen und es kommt immer etwas neues dazu. Ich freue mich sehr auf viele kommende Camps.

Kannst du dich als Hockeyprofi definieren? Wie verdienst du deinen Lebensunterhalt?
Also ich verdiene mein Geld durch den Hockeysport. Aber das kann man nicht mit einem Basketball- oder Handballprofi vergleichen. Ich spiele beim MHC, bei der Nationalmannschaft und arbeite auch noch bei Mannheim. Am Ende ist es eine Mischung aus professionellen- und Amateursport, daher würde ich mich selbst so ein bisschen als Halbprofi sehen.

Machst du dir schon Gedanken, was nach der Karriere als Hockeyspieler kommt?
Ja auf jeden Fall. Ich würde gerne weiter beim MHC arbeiten. Am liebsten als Organisator, so ein bisschen in die Richtung eines Sportdirektors. Was die Organisation und Planung angeht, bin ich sehr gut. Ich sehe mich aber klar nicht als Hockeytrainer, die Frage kam auch schon des öfteren auf.

Wenn du dem Hockeynachwuchs etwas mitgeben könntest, was wäre es?
Mein Tipp wäre so ein bisschen nach dem Motto “in der Ruhe liegt die Kraft”. Heutzutage gibt es viele Spieler, die sich schnell mit einem hohen Druck konfrontiert sehen und diesem nicht immer Stand halt. Einfach einmal tief durchatmen und nicht alles zu nach an sich ranlassen und besonders wichtig das Verständnis: Im Sport hat man immer eine zweite Chance, dazu gehört also auch mal mit Rückschläge reflektiert umzugehen.

Wie viel Zeit investieren Sie ins Strafeckentraining?
In der Regel trainieren wir immer nach unseren Trainingseinheiten zusätzlich Ecken mit den jeweiligen Eckenteams, ca. 20 Minuten. Wenn ich selber etwas unzufrieden bin, kommt auch gerne die ein oder andere Einheit alleine dazu.

Was macht Ihre Stärken bei Strafecken aus – auch im Vergleich zu anderen europäischen und internationalen Spezialisten?
Es gibt einige Schützen auf höchstem Niveau, allerdings jeder mit  unterschiedliche Eigenschaften und Stärken und auch einem ganz eigenen Stil des Schusses an sich. Aber wirklich entscheidend sind die Momente in denen man trifft wenn das Team es am meisten benötigt, es ist für mich also nicht immer die Quote, sondern eher der Moment indem ich der Mannschaft mit den Treffern wirklich signifikant helfen kann.

Fotocredits: WORLDSPORTPICS/FRANK UIJLENBROEK

Blicken wir zum Abschluss noch einmal auf die anstehende EM und auf euch als Mannschaft. Was zeichnet euch als HONAMAS aus? Was verbindet euch und macht eure Mannschaft aus?
Wir haben eine sehr gute Balance zwischen Spielern mit viel Erfahrung und sehr starken sehr jungen Spielern. Das ist meiner Meinung nach eine sehr gute Mischung für unsere Mannschaft. Wir können jetzt in dieser Pause sehr viel trainieren. Unser Vorbereitungslehrgang unter idealen Bedingungen und noch anstehende Testspiele gegen Belgien helfen uns, uns weiterzuentwickeln. Normalerweise gibt es diese Konzentration für uns nicht, da alle Spieler in den Vereinen ihre Wettbewerbe absolvieren müssen. Auch die ProLeague in Amsterdam und London hat uns in unserem Prozess schon geholfen, deshalb freue ich mich auf die nächsten Wochen.

Was wollt ihr bei der Hockey-EM in Mönchengladbach erreichen?
Das Ziel ist klar, als amtierender Weltmeister wollen wir den Titel holen und das Ticket für
die Olympischen Spiele 2024 ziehen.

Warum sollten Sportfans die Hockey-EM besuchen?
Die WM in Indien war sicher ein absolutes Highlight, aber für unsere deutschen Fans tatsächlich ja schwer zu erreichen. Jetzt haben alle die Chance die Nähe zu uns zu suchen und die Stimmung zu geniessen und damit gemeinsam vielleicht einen riesigen Schritt Richtung Paris 2024 zu gehen und das im eigenen Land.

Mehr zum Thema

Premium-Partner

Mit Unterstützung durch