Die deutsche Nationalspielerin verbindet Hallen-WM mit Uni-Prüfung
Lorenz: WM- & Uni-Stress
11. February 2018
11.02.2018 - Indoor Hockey World Cup in Berlin – wer da Weltmeister werden will, spielt acht Matches in fünf Tagen! Wer da nach zu viel Stress schreit, kennt das Pensum von Hockeyspielern nicht! Dem Ganzen die Krone setzt dabei Nike Lorenz auf. Während ihre Teamkolleginnen noch Interviews gaben, Autogramme schrieben oder sich auf die Regeneration freuten, flitzte die 20-jährige Aufbauspielerin der DANAS mal eben zur Technischen Uni in Berlin-Tiergarten. Nicht, um in der Bibliothek irgendein Hockey-Fachbuch auszuleihen, sondern um eine Prüfung abzulegen.
Als also am Mittwoch kurz nach Zwölf bei der DANAS-Partie gegen Russland der Schlusspfiff fiel, packte Nike Lorenz schnell ihre Hockeytasche und machte sich mit der Bahn auf den Weg zur Technischen Universität Berlin. Pünktlich um 14 Uhr startete ihre Germanistik-Klausur. Zeitgleich mit ihren Kommilitoninnen in der 550 Kilometer entfernten Uni Mannheim. „Beim ersten Termin war ich beim Lehrgang, da kam nur dieser Zweittermin in Frage“, sagt sie. Als klar war, dass sie den Ersttermin nicht wahrnehmen konnte, klärte sie über das Sportstipendium der Universität Mannheim, dass sie den Nachholtermin wahrnehmen wird. „Ich musste bei einer Sekretärin im Büro sitzen, die peinlich genau darauf geachtet hat, dass ich keine Sekunde zu früh anfange zu schreiben“, erzählt Lorenz. Auf die gewohnte Ruhe bei Klausuren musste die Mannheimerin allerdings verzichten: Ihre Aufsicht haute ständig auf ihrer Tastatur rum und nahm in der Zeit gleich mehrere Telefonate an.
Doch das war gar nicht mal der einzige Stress. Denn schon um 18.20 Uhr sollte die MHC-Spielerin bereits wieder auf der Platte stehen. Bei der nächsten WM-Partie gegen Namibia wollte Nationaltrainer Akim Bouchouchi natürlich ungern auf einen seiner Aktivposten verzichten. Auch im Vorfeld musste Lorenz einen deutlichen Mehraufwand betreiben. Während sich ihre Teamkolleginnen ausschließlich auf die sportliche Vorbereitung konzentrieren konnten, lernte Lorenz neben dem Training. „Ich habe vergangenes Wochenende die Deutsche Meisterschaft geschaut und dabei ein bisschen gelernt“, sagt sie. Wobei „ein bisschen lernen“ bei der für ihr hervorragendes Abitur ausgezeichneten gebürtigen Berlinerin wohl kaum zutrifft. Nikes Mutter bewundert ihre Tochter für ihren unglaublichen Fleiß und ihre Disziplin.
Daher überraschte es vielleicht wenig, dass Nike Lorenz mit einem Spiel im Rücken, einem vor der Brust, zahlreichen Sekretariatstelefonate und dem Tastaturklappern bereits nach der Hälfte der Zeit fertig war und gehen konnte. „Da war meine Aufsichtsperson schon sehr erstaunt“, beschreibt Lorenz augenzwinkernd die Überraschung der Sekretärin. Sofort ging es zurück in die Max-Schmelling-Halle. „Die Klausur lief gut, aber ich war froh, wieder in der Halle zu sein“, sagt die Germanistik-Studentin. Keine vier Stunden, nachdem Nike Lorenz bei der Klausur den Stift hatte fallen lassen, stand sie schon wieder auf dem Feld gegen Namibia. Und zeigte eine gewohnt starke Leistung, die sie zudem mit zwei Treffern beim 12:0-Sieg krönte.
Beruflich hat Nike Lorenz auch schon klare Vorstellungen. Sie würde gerne als Lektorin bei einem Verlag arbeiten: „Ich habe mich da noch nicht festgelegt, aber könnte mir auch etwas vorstellen, das nicht direkt mit Sport zu tun hat.“ Da müssten einige Verlage jetzt hellhörig werden: Solche stressresistenten Mitarbeiterin gibt es nicht häufig. An die berufliche Zukunft verschwendet die Abwehrspielerin aber gerade in diesem Moment keinen Gedanken. Im Fokus steht jetzt erst einmal wieder das WM-Finale gegen die Niederlande. Anpfiff ist um 13.30 Uhr.