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Olympische Spiele

Mein ganz persönlicher Olympia-Moment: Stefan Blöcher

19. April 2024

Emotionen, Triumphe und unvergessliche Momente – bei den Olympischen Spiele kommen Aktive aus der ganzen Welt zusammen, um die Werte des Sport zu feiern und ihr Bestes geben. In unserer Reportage-Reihe erzählen ehemalige Nationalspielerinnen und -spieler ihre Geschichten. Jede von ihnen beinhaltet einen ganz persönlichen Olympia-Moment, der geprägt war von jahrelanger harter Arbeit, vielen Widerständen und dem Glauben an sich selbst.

Stefan Blöcher wird heutzutage selbst in Pakistan noch verehrt. Sein Olympia-Moment war aber ein schmerzhaftes Erlebnis.

An den 28. September 1988 wird sich Stefan Blöcher für immer erinnern. Es war das Halbfinale bei der Olympiade in Seoul zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden. Beim Stand von 1:1 hatten die Gegner eine Strafecke. Die Kugel kam zu Floris Jan Bovelander, den Top-Torschützen der Niederländer. Sein Schlag rauschte mitten auf Blöcher zu, der hinter seinem Torhüter auf der Grundlinie stand. „Ich drehe mich noch weg und kriege den Ball hierhin“, beschreibt der heute 64-Jährige und zeigt sich dabei an die rechte Kopfseite. „Wenn ich den an die Schläfe bekommen hätte, weiß ich nicht, ob ich noch hier sitzen würde. Es waren Zentimeter."

Nach dem Treffer war der Starspieler der Bundesrepublik minutenlang bewusstlos. „Ich bin erst im Hubschrauber Richtung Krankenhaus wieder aufgewacht“, sagt er. Blöcher hatte Glück. Die Untersuchungen im Krankenhaus ergaben lediglich eine schwere Gehirnerschütterung. Das Finale drei Tage später konnte er wieder im Stadion verfolgen. Die 1:3-Niederlage gegen Großbritannien von außen zu verfolgen, sei allerdings „brutal“ gewesen. Dazu kamen die Schmerzen: „Ich hatte einen Verband um den Kopf und wurde gekühlt. Mir war so schlecht.“

Das Kuriose: Der schlimme Unfall, der zum Glück ohne Spätfolgen blieb, machte Blöcher auch außerhalb der Hockeywelt zum Star. „Davon wurde sogar in der Tagesschau berichtet, Hockey war plötzlich überall im Gespräch“, sagt er.

In seiner Sportart hatte er zuvor schon längst Ikonen-Status erreicht. Blöcher bestach vor allem durch seine Dribblings, die ihm den Spitznamen „Der weiße Pakistani“ verschafften. „Früher sind wir häufig ins Dribbling gegangen. Das machen die Spieler heutzutage leider nur noch kaum“, beschreibt er. „Die Athletik und Schnelligkeit sind heutzutage wesentlich besser. Ich finde aber, dass die Attraktivität des Spiels unter zunehmender Taktik und dem Regelwerk leidet.“

Auch wenn seine aktiven Zeiten rund 40 Jahre her sind, wird Blöcher bis heute verehrt. Bei einer Tour durch Pakistan im Jahr 2022 wurde er vielerorts gefeiert. „Nach so vielen Jahren noch so einen Hype zu erleben, war für mich ein unglaublich emotionales Erlebnis“, sagt er.

In Deutschland war Blöcher, der in Köln Sport studiert und eine Lehre als Einzelhandelskaufmann gemacht hatte, einer der ersten Hockeyspieler, die vom Sport leben konnten. „Ich wurde von meinen Vereinen bezahlt und hatte mehrere Sponsoren. Es war sehr angenehm, dass ich mich dadurch voll auf Hockey konzentrieren konnte.“

Trotz seines Talents war Blöchers Karriere auch von Rückschlägen gekennzeichnet. Das schmerzhafte Erlebnis im Sommer 1988 war nur eine von mehreren bitteren Erfahrungen. Im Alter von 20 Jahren zählte der großgewachsene Blondschopf, der in Deutschland für den Limburger HC, Rot-Weiß Köln und SC Frankfurt spielte, erstmals zum Olympiakader. Aus politischen Gründen boykottierte die Bundesrepublik allerdings die Spiele in 1980 Moskau. „Das war für mich sehr frustrierend und eine totale Enttäuschung“, beschreibt er.

Seine Olympia-Premiere feierte Blöcher vier Jahre später in Los Angeles, wo die Bundesrepublik im Endspiel Pakistan mit 1:2 nach Verlängerung unterlag. Auch in Seoul musste sich das Team mit letztlich mit Silber begnügen. „Ich habe erst geheult und war unglaublich niedergeschlagen. Etwas später überwog dann aber aber die Freude, überhaupt eine Medaille bei den Olympischen Spielen gewonnen zu haben. Davon träumt jeder Athlet.“

Bei den Spielen in Barcelona 1992 gewann Deutschland schließlich Gold – da zählte Blöcher aber nicht mehr zum Team. „Ich war damals leer und habe mich nicht mehr bei einer Olympiade gesehen“, sagt er. Dennoch bleiben ihm seine Olympia-Teilnahmen als „das absolut Größte, was ein Sportler erleben kann“ in Erinnerung.

Und was ist sein persönlicher Olympia-Moment? „Die Eröffnungsfeiern! Das Gefühl, mit der deutschen Mannschaft hinter der Fahne herzulaufen, ist unbeschreiblich“, sagt der 259-fache Nationalspieler, der aber auch viele weitere Erfahrungen hervorhebt. „Mit den Top-Athleten der Welt im Olympischen Dorf zu leben, war eine außergewöhnliche Erfahrung. Du gehörst zu diesen 14.000 bis 16.000 Menschen, die diesen Traum leben dürfen. Auch die Hymne zu hören, ist Gänsehaut pur.“

Für den Hockeysport sind Olympische Spiele traditionell von besonders hoher Bedeutung. „Es ist das einzige Mal, wo diese Sportart aus dem Schattendasein ausbricht“, beschreibt er. „Wegen der aktuellen weltpolitischen Lage bin ich aber noch nicht wirklich im Olympia-Fieber für die Spiele in Paris. Vielleicht kommt das ja bei der Eröffnungsfeier.“

Sowohl den Damen, als auch den Herren traut er in Paris den Halbfinaleinzug zu. „ Ab dann ist es immer Tagesform-abhängig. Außerdem kommt es auf die mentale Stärke an.“ Favorit ist für ihn aber eine andere Nation: „Die Niederlande!“ Dass das Nachbarland ein unangenehmer Gegner sein kann, weiß Stefan Blöcher selbst nur zu gut.

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