Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Deutschen Hockey-Zeitung entstanden
MU16: Zwei gleichberechtigte Meister nach Final-Eklat
25. February 2024
Überschattet von einem Eklat in den Schlusssekunden des Endspiels ging die 52. Deutsche Hallenmeisterschaft der Männlichen U16 in Elmshorn zu Ende, um am Tag danach noch ein Nachspiel außerhalb der Halle zu haben.
Was war passiert? Die Mannschaft der Zehlendorfer Wespen war im Finale gegen den Harvestehuder THC bei einer 3:2-Führung und eigener Strafecke wenige Sekunden vor Ablauf der Spielzeit der gefühlte Meister für alle Beteiligten in der Elmshorner KGSE-Schulhalle. Doch es kam alles anders. So hatte am Sonntag der HTHC den Siegerwimpel in der Hand und konnte seine dritten Hallen-DM-Titel in dieser Altersklasse nach 2002 und 2022 feiern. Am Montagmittag wurden nachträglich noch die Zehlendorfer Wespen vom Deutschen Hockey-Bund zum „gleichberechtigten Deutschen Meister“ ausgerufen.
Begonnen hatte das Turnier am Samstag ganz normal. In der Gruppe A setzte sich der Nord-Ost-Erste Zehlendorfer Wespen mit drei Siegen souverän durch. Der Westvizemeister Düsseldorfer HC entschied den Kampf um Platz zwei im letzten Gruppenspiel durch einen 4:3-Sieg über Klipper Hamburg für sich. Ohne Sieg landete Rüsselsheimer RK auf dem vierten Platz. In der Gruppe B konnte sich der Harvestehuder THC in seinem letzten Spiel eine 2:4-Niederlage gegen den Mannheimer HC leisten, ohne nach zuvor eingefahrenen sechs Punkten seinen ersten Platz noch zu verlieren. Der Schlusserfolg brachte dem Südmeister den Sprung ins Halbfinale, auch dank Schützenhilfe von Westmeister Rot-Weiss Köln, der den Münchner SC im letzten Spiel schlug und damit den möglichen zweiten Platz der Bayern verhinderte.
Im Halbfinale unterstrichen die Wespen ihre Ambitionen und zogen durch ein souveränes 5:0 über Mannheim ins Endspiel ein. Für viele neutrale Beobachter in der Halle waren die Zehlendorfer die klar beste Mannschaft der Konkurrenz. Ganz anders verlief das zweite Vorschlussrundenspiel: Zur Überraschung auch des DHB-Spielbeobachters Julian Tarres lag der Favorit HTHC zur Halbzeit gegen den Düsseldorfer HC mit 0:4 in Rückstand. „Der HTHC hat die erste Hälfte ziemlich verschlafen, während der DHC mit großer Effektivität seine wenigen Möglichkeiten nutzte“, so Tarres, der 9:4 Kreiseintritte zugunsten der Hanseaten bis zum Pausenpfiff zählte. In der zweiten Hälfte stellte Harvestehude auf Pressing um und schaffte es tatsächlich, den hohen Rückstand in eine eigene 5:4-Führung zu drehen. Sekunden vor Schluss aber glich Düsseldorf aus und vertagte die Entscheidung ins Shoot-out, wo sich HTHC dann mit 2:1 durchsetzen konnte.
So kam es zum Endspiel zwischen Zehlendorf und Harvestehude. „Die beiden Mannschaften mit den meisten Kaderspielern. Das hat man gemerkt“, sah der Beobachter den Erfahrungsvorsprung der beiden Finalisten gegenüber der Konkurrenz als entscheidend. In einem „sehr ausgeglichenen Finale“ (Tarres) drehten die Berliner einen 0:1-Rückstand (Teo Spakowski) durch Hellwardt de Boer und Maximilian Martins in eine 2:1-Führung um. Noch vor der Halbzeitpause glich Vincent Scholz für den HTHC aus. In der zweiten Hälfte holten sich die Wespen dann durch Nils Rätke verdientermaßen die Führung zurück.
Mit dem 3:2 ging es in die letzte Spielminute. Als die Anzeigetafel dann keine 30 Sekunden mehr anzeigte und Zehlendorf noch eine Strafecke herausholen konnte, war jedem Hockey-Sachkundigen auf der Tribüne klar, dass die Entscheidung über den neuen Meister gefallen sein musste. Bis es zur Eckenausführung kam, war die Uhr auf unter zehn Sekunden heruntergelaufen. Als einer der Unparteiischen den Versuch zurückpfiff, da beim HTHC zu früh herausgelaufen wurde, gab es an der Bank der Wespen kein Halten mehr. Die Wechselspieler, Betreuer und Fans stürmten aufs Feld und wollten mit den ebenfalls jubelnden Spielern auf dem Platz den allerersten MU16-DM-Titel für die Zehlendorfer Wespen feiern.
Derweil kamen die beiden Schiedsrichter Oldenburg und Rödel zusammen und berieten sich, wie die „Stürmung“ des Spielfeldes vor offiziellem Ablauf der Spielzeit zu behandeln wäre. Sie kamen zur Einschätzung, dass es sich um einen Wechselfehler handelte. Ein lauter Pfiff und die Anzeige einer Strafecke für HTHC riss das Wespen-Lager jäh aus der Jubelstimmung. Ungläubiges Staunen und Raunen auch auf den Rängen, wo kaum jemand diese Entscheidung nachvollziehen konnte. Und es kam noch viel schlimmer für die Berliner Mannschaft: Harvestehude nutzte durch Scholz diese Schlussecke im Wiederholungsversuch zum 3:3, und im fälligen Shoot-out siegten die Hamburger mit 3:1. „Die Wespen haben sich um den Sieg betrogen gefühlt“, konnte Julian Tarres die Gemütslage der wie am Boden zerstörten Zehlendorfer gut nachvollziehen.
Der Versuch der Wespen-Teamleitung, schon vor Ausführung der HTHC-Schlussecke einen offiziellen Protest gegen die Entscheidung einzureichen, wurde von der Turnierleitung um Benedict Spermoser als nicht statthaft zurückgewiesen, genauso ein Zehlendorfer Einspruch gegen die Spielwertung nach Abschluss des Spiels.
Der als Gast auf der Tribüne befindliche DHB-Präsident Henning Fastrich versprach als Augenzeuge des sportlichen Dramas bei seiner Ansprache vor der Siegerehrung, den Sachverhalt „mit ins Präsidium nehmen“ und dort aufarbeiten zu wollen. Was sich zunächst nach einem langen, mehrwöchigen Prozess anhörte, mündete dann in jedoch eine „26-stündige Dauerarbeit“, wie Bundesjugendwart Andreas Knechten die quasi sofort einsetzenden Bemühungen umschrieb, diese für alle Seiten vertrackte Situation so schnell wie möglich zu befrieden. Bis Montagspätnachmittag war eine schriftliche Erklärung aufgesetzt, in der der DHB zunächst die strittige Schiedsrichterentscheidung als „nicht korrekte“ Auslegung der Hallenhockeyregeln bezeichnete und die Zehlendorfer Wespen als neben dem Harvestehuder THC zum „gleichberechtigten Deutschen Meister“ ausrief. (das vollständige Schreiben des DHB ist auf der Verbands-Homepage magazin.hockey.de veröffentlicht)
Die Reaktion von Wespen-Sportdirektor Felix Fischer: „Wir sind froh, dass der DHB die sportliche Leistung unserer Jungs anerkannt und diesen offensichtlichen Fehler korrigiert hat. Vor allen Dingen die Handlungsschnelligkeit war wichtig für die Befriedung der Situation. Wir sind sehr dankbar für den Zuspruch und die Anerkennung, die wir aus ganz Deutschland bekommen haben.“
Fast zur Nebensache geraten war am Sonntag angesichts der vorangegangenen Turbulenzen die Ehrung der besten DM-Spieler. Julian Tarres berief das HTHC-Torwart-Duo Maximilian Cohrs und Leo Faulenbach (Tarres: „Max hat gespielt und Leo viele Siebenmeter und Penaltys gehalten“) und die Feldspieler John Dammertz, Florian Hahn, Hellwardt de Boer (alle Wespen), Caius Warweg (RW Köln) und Timo Schreiner (Mannheimer HC) ins Allstar-Team. Für gute Leistungen hervorheben wollte der Beobachter ferner Mark Corominas, Carl-Friedrich Chorianopoulos (beide DHC), Yannik Noel Oswald (RRK), Luis Geisler-Fernández (ZW), Carl von Strantz, Mathis Koppenhöfer (beide MHC), Vincent Scholz, Teo Spakowski (beide HTHC), Luca Knörndel (MSC), Konstantin Hermanns (RWK), Florenz Focke und Len Schneider (beide Klipper).
Der Aufreger zum Ende legte natürlich einen Schatten über die Gesamtleistung der acht DM-Schiedsrichter Marvin Bergmann, Arne Böger, Simon Farber, Jonathan Grambeck, Claas Kluth, Nikolai Metscher, Carl Oldenburg und Ruben Rödel. „Sonst war eigentlich alles okay“, sagte auch Julian Tarres, der den Ausrichter Elmshorner MTV als guten Gastgeber lobte: „Man hat sich hier extrem viel Mühe gegeben und eine sehr angenehme Atmosphäre geschaffen.“