Henning Fastrich im Interview
„Das Format Hockey5 spielt noch keine Rolle für uns“
13. February 2024
Als Präsident des Deutschen Hockey-Bundes verfolgte Henning Fastrich im Oman sowohl die Olympia-Qualifikation der DHB-Herren als auch die anschließende erste Weltmeisterschaft im Kleinfeldformat Hockey5. DHZ-Redaktionsleiter Uli Meyer hat sich mit dem DHB-Chef über dessen Eindrücke und Erkenntnisse unterhalten.
Herr Fastrich, Sie sind gerade von einem längeren Aufenthalt im Oman zurückgekehrt. Sie waren dort Augenzeuge sowohl der Olympia-Qualifikation mit den Honamas als auch der Premiere der Hockey5-Weltmeisterschaft.
HENNING FASTRICH: Richtig. Es war eine Verknüpfung des Qualifikations-Events und der anschließenden Hockey5-WM. Ich bin auch deswegen gleich dortgeblieben, um an dem großen Meeting von vielen Verbandspräsidenten mit zahlreichen Vertretern des Weltverbandes FIH teilzunehmen. Man hat von Seiten der FIH dieses Treffen National Associations Summit genannt, um dort über aktuelle strategische Themen zu verschiedenen Bereichen, zum Beispiel die Entwicklung beim Dry Turf (wasserloser Kunstrasen) oder Organisations- und IT-Projekte zu berichten. Das war ein sehr breit angelegter Informationsaustausch, viele Verbandspräsidenten waren ja auch mit ihren Teams zur Hockey5-WM dabei.
Wie kann man die beiden Hockey-Events vergleichen? Vermutlich war beim Olympia-Qualifier, wo der Gastgeber Oman ja sportlich nicht beteiligt war, weniger los als bei der Hockey5-WM-Premiere.
Der Qualifier war vom der Zuschauerresonanz doch relativ schwach, was ja auch nachvollziehbar ist. Trotz allem sind wir sehr glücklich gewesen, dass dieses Turnier in Maskat gespielt wurde. Gerade wir Europäer hatten uns im Vorfeld stark dafür eingesetzt, dass der Qualifier nicht wie ursprünglich geplant in Pakistan stattfindet. Man kann sich vorstellen, wie es gewesen wäre, ein Halbfinale gegen Pakistan in Lahore zu spielen. Da wären wahrscheinlich 50.000 Zuschauer dabei gewesen. Aber momentan ist solche eine Großveranstaltung in Pakistan in der gegenwärtigen Sicherheits-Konstellation einfach nicht möglich, und deshalb waren wir froh, dass die FIH unseren Bedenken da gefolgt ist und schließlich der Oman bereit war, in diesem wunderbaren Stadion eine Woche vor der Hockey5-WM auch den Olympia-Qualifier auszutragen.
War dann bei der WM mehr los im Stadion?
Ja. Das wurde dort auch ziemlich publik gemacht im Vorfeld. Es war dann eine gute Zuschauerresonanz. Und vor allem, wenn die Omanis gespielt haben, war das Stadion wirklich gut gefüllt, es herrschte dann eine richtig gute Atmosphäre. Beim Hockey5-Turnier mit 32 Mannschaften aus aller Welt waren ja einige Nationen dabei, die auch dort im Land gut vertreten sind und entsprechend Landsleute zum Besuch mobilisiert haben.
Haben Sie nun erstmals ein Hockey5-Spiel oder auch ganzes H5-Turnier live gesehen?
Live in diesem Format und auf diesem Leistungsniveau habe ich es zuvor nicht erlebt gehabt. So gesehen war es für mich jetzt tatsächlich das erste Mal. Ich habe mir im Vorfeld, um mich mit dem Thema genauer auseinanderzusetzen, dazu eine ganze Menge im Internet angeschaut. Man hat ja bei Hockey5 im Regelwerk in letzter Zeit noch so einiges verändert, was meines Erachtens auch total notwendig war. Die ersten großen Turniere im Hockey5 waren ja geprägt von vielen Verletzungen, da hat man zum Beispiel mit der Klärung, ab wann und wo geschossen werden darf, inzwischen doch so einiges entschärft. Das Ganze jetzt mal richtig live gesehen zu haben, war für mich schon wichtig. Man muss da eine klare Meinung haben, wie es damit weitergeht. Dafür war es für uns auch wichtig, dass wir mit den ganzen Präsidenten dort waren und diskutiert haben. Gerade wir Europäer wollen da eine gemeinsame Meinung bilden. Nur dann gibt es eine Chance, dass diese Meinung auch international gehört wird. Die großen europäischen Hockey-Nationen - also Niederlande, Belgien, Spanien, England und wir - haben da in letzter Zeit eine sehr enge Gruppe gebildet, die sich sehr regelmäßig austauscht, um im Schulterschluss auch zu anderen Themen strategisch mehr Einfluss bei der Gestaltung nehmen zu können.
Ist Ihre Meinung zu Hockey5 durch diese WM-Premiere zum Positiven hin verändert worden? Oder ist die skeptische Haltung gegenüber diesem Format bestätigt worden?
Erstmal muss ich sagen, dass es grundsätzlich ein interessantes Format ist, das die FIH vorort auch gut präsentiert hat. Die Omanis habe da in wenigen Monaten ein tolles Stadion hingestellt. Und man erkennt, dass in solch einem Hockey-Entwicklungsland, wie es der Oman nun mal ist, solch ein Format gut ankommt und es möglich ist, mit einer jungen Mannschaft da auch gut mitzuspielen. Ansonsten hat sich bei mir bestärkt, was auch die FIH so sieht: Hockey5 wird als Entwicklungsprojekt gesehen und kann in vielen Ländern eingesetzt werden, wo Hockey eben noch keine oder nur eine geringe Bedeutung hat. Durch dieses kleinere Format soll die Einstiegsbarriere für viele Länder reduziert werden. Also mit dem Ziel, über Hockey5 den Hockeysport auf dem Globus weiterzuentwickeln, um noch besser den weißen Flecken auf der Hockey-Weltkarte begegnen zu können.
Wie ist denn nun die deutsche, die europäische Haltung zu Hockey5?
Unsere Meinung zu Hockey5 ist nach wie vor sehr klar, und da sind wir auch in engem Schulterschluss mit anderen Topnationen in Europa: Nämlich dass das Format für uns noch keine Rolle spielt. Auch die Holländer ziehen sich ja zurück. Sie wollten eigentlich schon ihre Teilnahme im Oman absagen, haben sich dann aber ihrer ursprünglichen Zusage verpflichtet gefühlt. Ich muss ja auch sagen, dass die Attraktivität trotz einiger Regelanpassungen immer noch sehr überschaubar ist, auch wenn man natürlich schöne Bilder teilen konnte. Nach Aussagen unseres FIH-Präsidenten Tayyab Ikram und auch unseres IOC-Präsidenten Thomas Bach ist es ja auch klar, dass Hockey5 nicht das klassische Hockey 11 bei den Olympischen Spielen ersetzen wird, sondern als eine zusätzliche Chance begriffen werden kann, wie es bei vielen anderen Sportarten inzwischen auch der Fall ist.
Fordert denn die FIH die großen Verbände mehr oder minder konkret auf, auf den Zug Hockey5 aufspringen zu müssen? Oder ist es völlig okay, wenn man da bei H5-Weltmeisterschaften nicht mitmacht?
Nein, böses Blut gibt es da nicht. Aber natürlich hat man auch hier gern gesehen, wenn große Hockey-Nationen teilnehmen, wie jetzt Niederlande oder auch, dass die Europäer bei der Hockey5-WM-Premiere zumindest durch ihre Präsidenten dabei waren. Die FIH wünscht es sich natürlich schon, dass man das weiter unterstützt. Also wenn man zum Beispiel in der Lage wäre, eine gute B-Mannschaft hinzuschicken. Ein solches Turnier würde natürlich reizvoller sein, wenn alle Topnationen teilnehmen würden. Es ist aber kein Problem, dass wir nicht teilnehmen und die Sache lediglich weiter beobachten. Aber wir müssen uns trotzdem mit dem Thema beschäftigen, weil es nun eben zum Hockey dazugehört. Es muss immer klar sein, dass wir das nicht einfach so unbeachtet weiterlaufen lassen können. Wir müssen im Blick haben, welchen Einfluss dieses Format auf unsere Formate hat. Es ist ja schon schwer genug, zwei Formate bedienen zu können, wie man am Beispiel der Holländer und ihrem Rückzug aus dem internationalen Hallenhockey sieht.
Die Hockeywelt ist also in Bewegung.
Es ist für mich klar, dass wir weiter daran arbeiten müssen, Hockey noch attraktiver zu machen. Da hilft auch so ein Hockey5-Format. Wir müssen weiter über Regeln und Rahmen nachdenken. Es gibt andere Sportarten wie Basketball, die da sehr aktiv sind, sich immer weiterzuentwickeln. Wir haben ja im Hockey in den letzten Jahren schon sehr viele innovative Ideen eingebracht, den Selfpass oder das Interchanging, um mal ein paar große Beispiele zu nennen. Trotzdem ist kein Stillstand geboten. Mehr Attraktivität bringt mehr Beachtung und mehr Zuschauer. Das muss die Zielsetzung sein. Die FIH hat da viel investiert in den letzten Jahren, produziert jetzt viele Livebilder, die schnell und vielfältig auch in den Sozialen Netzwerken verbreitet werden und hohe Klickzahlen generieren.
Wenn man von den kleinen Geschwistern des traditionellen Hockey11 spricht: Hat Hockey5 da nicht weltweit mehr Zukunft als Hallenhockey mit seiner ziemlichen Konzentration auf Europa?
Für mich etwas überraschend war die Erkenntnis nach Gesprächen mit zahlreichen anderen Präsidenten, gerade auch der afrikanischen Welt, dass Hallenhockey dort eine nicht uninteressante Rolle spielt. Weil sie schon erkennen, dass dieses Format eine hohe Attraktivität hat und sie auch sehen, dass im Hockey5 die Regeln wahrlich noch nicht ausgereift sind. Hallenhockey spielt doch in vielen Nationen eine deutlich größere Rolle, als ich mir vorgestellt habe.
Vielen Dank für das Gespräch!