Schiedsrichter-Workshop der Danas mit Hockey-Referees

„Es gibt zu wenig Verständnis für Schiedsrichter-Entscheidungen“

23. May 2022

Die Beziehungen zwischen Schiedsrichtern und den deutschen Hockey-Damen gilt nach Aussage des Bundestrainer Valentin Altenburg als ausbaufähig. Um das gegenseitige Verständnis zu fördern, lud Altenburg vor einiger Zeit im Rahmen eines Lehrgangs seine Spielerinnen zum Workshop mit Hockey-Schiedsrichter Benjamin Göntgen. Die gegenseitigen Lerneffekte waren enorm.

Wie in so vielen Sportarten sind auch im Hockey die Schiedsrichter diejenigen, gegen die sich der Unmut und die Unzufriedenheit von Sportlern und Sportlerinnen richtet, wenn ihnen etwas am Spielverlauf oder eine Entscheidung nicht gefällt. Um seinen Spielerinnen bewusst zu machen, dass ohne die Schiedsrichter die Ausübung ihres Sports nur schwer möglich wäre, hat der deutsche Hockey-Bundestrainer der Frauen, Valentin Altenburg, gemeinsam mit dem Top-Hockey-Schiedsrichter Benjamin Göntgen den deutschen Spielerinnen die Schiedsrichter-Arbeit in einem gemeinsamen Workshop im März näher gebracht. 

Dass ein enger Austausch zwischen den Spielerinnen und Schiedsrichtern stattfindet, ist für Göntgen unerlässlich: „Der Lehrgang und Austausch, gerade über Hockeyregeln, hat gezeigt, dass die Spielerinnen ganz anders an das Regelwerk gehen, als wir Schiedsrichter es tun. Um diese Unterschiede zu identifizieren, ist so ein Austausch unabdingbar.“

©WORLDSPORTPICS/ FRANK UIJLENBROEK

„Bei anderen Nationen ist das Standard“

Das Projekt mit den Spielerinnen und einem Hockey-Schiedsrichter war das erste seiner Art im deutschen Hockey, sehr zum Erstaunen von Benjamin Göntgen: „In dieser Form ist mir keine Maßnahme bekannt und ich war ehrlich gesagt auch sehr überrascht, dass es so lange dauerte, dass man als Mannschaft nicht den Nutzen aus den eigenen Reihen früher gezogen hat. Bei anderen Nationen ist das mittlerweile Standard.“

„Hatte Respekt davor, in die Höhle der Löwinnen zu gehen“

Im Mittelpunkt des Workshops stand am ersten Tag vor allem der Videobeweis. „Hier ging es darum einmal das Prozedere aus der Sicht der Offiziellen und unsere Handlungsanweisungen zu erklären. Allein wenn man die einmal gehört hat, haben sich wahrscheinlich 20-30% von strittigen Situationen schnell erledigt. Hier sollte man dann auch keinen Videobeweis nehmen, weil die Aussicht auf Erfolg gegen Null tendiert. An Tag zwei standen dann vor allem das Q&A der Danas, Thema Schlenzball und Behinderung im Spiel und Shoot-Out an.“ Für den langjährigen Hockey-Schiedsrichter war der Workshop „eine unfassbar spannende und lehrreiche Veranstaltung, die mir viel Spaß gemacht hat, auch wenn ich Respekt davor hatte, in die Höhle der Löwinnen zu gehen“, wie er sagt, auch wenn er zugibt: „Ich habe meiner Zunft sicherlich nicht den größten Gefallen getan, indem ich aus dem Nähkästchen geplaudert habe.“

©WORLDSPORTPICS/ FRANK UIJLENBROEK

Workshop soll keine einmalige Sache sein

Das übergeordnete Ziel sei kein einmaliger Workshop, „sondern eine veränderte Zusammenarbeit der Nationalspielerinnen mit den Schiedsrichtern. Das soll auch in der Hockey-Liga Früchte tragen“, sagte Danas-Bundestrainer Valentin Altenburg. „Wir haben im Vorfeld des Workshops ein Regelstudium gemacht, aus dem heraus die Mädels ihre Fragen an Benjamin herangetragen haben; wir haben uns ausführlich mit dem komplizierten Regelwerk des Hockeysports auseinandergesetzt.“

„Unser Ruf ist gar nicht gut“

„Ich habe in Vorbereitung auf meine neue Aufgabe als Bundestrainer viele Spiele der Danas gesehen und fand es sehr auffällig, dass es dort sehr wenig Verständnis für die Entscheidungen der Schiedsrichter gab. Das führte dann zu Frust und Missverständnissen zwischen Spielerinnen und Schiedsrichtern und vielleicht auch zu dem Ruf, den wir international mit unseren Nationalmannschaften genießen. Der ist nämlich gar nicht gut, und den gilt es zu verbessern. Das ist das Ziel der Zusammenarbeit mit unseren Schiedsrichterexperten Ben Göntgen und Michelle Meister“, erklärt Bundestrainer Valentin Altenburg. 

Schiedsrichter-Entscheidungen als taktisches Mittel nutzen

Man wolle „ein besseres Verständnis entwickeln, wie Schiedsrichter zu ihren Entscheidungen kommen, was sie bewerten und worauf sie sich konzentrieren, um als Spielerin zu verstehen, wie die Entscheidungen zustande kommen und mit diesen auch arbeiten zu können.“ Dabei sollen die Schiedsrichter-Entscheidungen künftig auch als spielerisches Mittel gesehen werden, sagt Bundestrainer Altenburg: „Die Spieler schauen noch viel zu oft zum Schiedsrichter oder zur Schiedsrichterin, um zu sehen, in welche Richtung er zeigt. Damit können sie aber keinen Vorteil für uns kreieren, indem man sofort mit dem Pfiff weiterspielt, sondern sogar einen Vorteil für den Gegner darstellen, weil wir nicht sofort weiterspielen. Wir nutzen, weil wir die Regelungen und Auslegungen der Schiedsrichter noch nicht gut genug verstehen, die Entscheidungen die Schiedsrichter nicht zugunsten unseres Spiels. Darin steckt aber ein Wettbewerbsvorteil und den wollen wir in Zukunft nutzen.“

©WORLDSPORTPICS/ ARNAU MARTINEZ BENAVENT

„Das erste Mal richtig mit den FIH-Regeln auseinandergesetzt“

Wie aber kommt die Kooperation mit den Schiedsrichtern bei den Spielerinnen an? Innenverteidigerin Viktoria Huse ist von dem Projekt durchaus angetan: „Wir haben uns zum Teil das erste mal richtig mit den FIH-Regeln auseinandergesetzt und dadurch erst die Vielfältigkeit der Regeln erkannt. Zudem haben wir viele Fragen und Verständnisschwierigkeiten mit Benjamin klären können. Vor allem der Perspektivwechsel war für uns Danas interessant, wir haben Einblicke in die Herausforderungen der Schiedsrichter bekommen. Das hilft uns vor allem, die getroffenen Entscheidungen auf dem Platz besser nachvollziehen zu können.“

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