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EM 2025 in Mönchengladbach

Julia Sonntag: "Ich kann von meiner Torwartposition aus viel steuern"

08. July 2025

Torhüterin Julia Sonntag war lange verletzt. Nun steht sie wieder im Tor der DANAS. Wir haben mit ihr vier Wochen vor Start der EM, die in ihrer Heimatstadt Mönchengladbach ausgetragen wird, gesprochen.

Was bedeutet diese EM in Mönchengladbach für dich persönlich? 

Wir hatten bereits vor zwei Jahren die EM hier in Mönchengladbach, aber diese EM bedeutet mir ganz besonders viel. Hinter mir liegt ein sportlich gesehen sehr schwieriges Jahr nach dem Kreuzbandriss kurz vor den Olympischen Spielen vor ziemlich genau 12 Monaten. Auch wenn ich seit 16 Jahren in Köln spiele, ist Mönchengladbach mein Lebensmittelpunkt und daher freue ich mich sehr auf die Heimspiele vor Freunden und Familie.

Warum kommen so viele Talente aus Mönchengladbach, obwohl die Stadt auch nicht durchgehend Erstliga-Hockey in den letzten Jahren zu bieten hatte?

Die Talente, die Mönchengladbach in den letzten Jahren hervorgebracht hat, stammen aus hockeybegeisterten Familien, die in den familiären Clubs optimal betreut wurden. Dazu gehört auch, dass sich die ganze Familie in den Clubs wohlfühlt und die Strapazen einer jungen, ambitionierten Karriere mitmacht. Das läuft hier einfach gut. Gute Jugendarbeit und nahbare Vorbilder sind wichtig, um die Talente bei der Stange zu halten. Mein Ehrgeiz wurde schon früh gepackt als Micky Hilgers in meiner Grundschule seine Olympia-Medaille gezeigt hat. Danach erinnere ich mich noch gut an die WM 2006, wo ich als Ballkind schon auf den Platz im Hockeypark stand. Auch das geplante Hockeyinternat direkt am Hockeypark wird den Stellenwert, den Hockey hier hat, hoffentlich noch weiter steigern und ich drücke dem GHTC alle Daumen, dass er erstklassig bleibt und so tolle Werbung für unseren Sport macht.

Wie schaffst du es, deine Hockey-Karriere und den Beruf zu vereinen?

Organisation, Effizienz, Verzicht und eine ganze Menge Tupperdosen. Es war und es ist definitiv nicht leicht. Ab und zu ist es auch einfach nur frustrierend. Auf der anderen Seite stehen aber unglaubliche Momente mit dem Team, die einen den ganzen Aufwand schnell vergessen lassen. Meine Tage sind gut strukturiert, die Sporttasche ist immer gepackt und mein Abendessen steht vorgekocht im Kühlschrank bereit. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich aber dran und entwickelt ein funktionierendes System. Das genaue Gegenteil habe ich nach meinem Kreuzbandrisse erlebt. Plötzlich war ich sechs Wochen am Stück zuhause, war weder bei der Arbeit noch beim Hockey. In den ersten Tagen konnte ich allein nicht mal die Etage verlassen. Damit hatte ich deutlich mehr zu kämpfen, als mit dem Stress vorher, beides unter einen Hut zu bringen. Mit fortschreitender Genesung konnte ich es kaum abwarten endlich in mein „stressiges Sportlerleben“ zurückzukommen.

Wie hast du geschafft, aus dieser persönlich schweren Phase mit deiner Verletzung bei den Olympischen Spielen so stark wieder zurück zu kommen?

Ich habe großes Glück gehabt. Natürlich wurde ich optimal betreut, gut operiert und habe mich strikt an den Rehaplan gehalten. Am Ende ist es trotzdem nichts anderes als Glück, dass alles nach Plan lief. Ich sehe in meinem Umfeld so viele Mädels, die trotz gleichem Einsatz immer wieder bittere Rückschläge erleiden und in eine ungewisse sportliche Zukunft blicken. Diese negativen Erfahrungsberichte lassen mich sehr demütig auf mein erfolgreiches Comeback zurückblicken

Gab es einen Moment, in dem du überlegt hast, aufzuhören? Viele deiner Ex-Mitspielerinnen haben ja nach Paris den Hockeysport aufgegeben ...

Schon kurz nach meiner Diagnose habe ich ganz oft gehört, dass meine Hockeykarriere damit ja nun beendet sei. Vielleicht hat mich das noch zusätzlich angespornt. Ich habe mich so oft aktiv für Hockey und gegen etwas anderes entschieden. Die größte und schwerste Entscheidung, nämlich die, irgendwann final den Schläger an den Nagel zu hängen, lasse ich mir nicht von meinem Knie abnehmen. Diese Entscheidung werden Herz und Kopf mal gemeinsam, ohne das Knie, treffen müssen.

Anfang des Jahres, mitten in deiner Reha, kam dann eine neue Bundestrainerin an Bord. Wie war euer Kontakt bis zu deinem Comeback für die DANAS und welche Rolle hat Janneke Schopman gespielt?

Wir hatten häufig telefonisch Kontakt, bei dem Janneke sich nach meiner Entwicklung erkundigt hat. Wir haben uns zum ersten persönlichen Kennenlernen zum Kaffeetrinken in Mönchengladbach verabredet. Bei einem Spiel von Rot Weiß, bei dem wir zum Gespräch verabredet waren, habe ich sie in Torwartausrüstung und mit meinem Liga-Comeback überrascht. Im Anschluss hat sie mir ihr Vertrauen ausgesprochen und gesagt, sie wolle mich wieder bei den DANAS einsetzen. Für dieses Vertrauen bin ich ihr sehr dankbar, denn es wäre leicht zu begründen gewesen in einer Umbruchphase die Älteste aus dem Team nach gerissenem Kreuzband auszusortieren. Dieses Vertrauen versuche ich bei jeder Gelegenheit mit Leistung zurückzuzahlen.

Wie siehst du deine Rolle innerhalb eines Teams, das eine sehr junge Altersstruktur hat?

Gerade der Lehrgang in Berlin hat gezeigt, dass uns noch Konstanz und Routine auf dem Platz fehlen. Gleichzeitig haben wir aber auch ein sehr gutes Bewusstsein über unsere Baustellen entwickelt. Wir erkennen Schwachstellen, erarbeiten Lösungen und versuchen diese umzusetzen. Dabei müssen wir aufpassen, nicht hektisch zu werden und genau da versuche ich mit meinem Alter, meiner Erfahrung und meiner Art Ruhe ins Spiel und in die Köpfe der Mannschaft zu bringen. Gleichzeitig kann ich von meiner Torwartposition aus viel steuern und an der richtigen Stelle pushen. Wenn meine Mädels mit ihrem Spiel und ihren Nerven beschäftigt sind, versuche ich die Kontrolle durch klare, laute Kommunikation und positive Ausstrahlung wiederherzustellen. 

Hat sich das Torhüterinnenspiel verändert in den letzten Jahren?

Individuelles und maßgeschneidertes Torwarttraining macht die Torhüter schneller und beweglicher, während diese früher im Training eher nur als Sparringspartner für die Stürmer abgestellt wurden. Außerdem ist das Torwartspiel deutlich cleverer geworden. Dabei haben immer präzisere Videoanalysen einen großen Anteil. Das wissen auch die Stürmer und stehen unter dem Druck, dass der gegnerische Torwart sich schon hunderte ihrer Ecken angesehen und analysiert hat. Der Torwart ist also längst nicht mehr nur zum Bälle halten zwischen den Pfosten. Ich hatte sehr früh Trainer, die großen Wert auf Kommunikation gelegt haben. So wurden laute Ansagen von mir so lange in die Übungen eingebaut, bis man mich schlussendlich bis ins andere Tor gehört hat. Erst danach war der Trainer zufrieden. Was mir als Jugendliche noch unangenehm war, ist mir inzwischen voll in Fleisch und Blut übergegangen und ich kann sofort zu meiner Hockeyplatzstimme switchen.

Was für einen Hintergrund hat eigentlich die Rückennummer 20, mit der du aufläufst?

Als ich 2016 erstmals bei den DANAS dabei war, trug Yvonne Frank über 150 sehr erfolgreiche Länderspiele lang die 1. Ich habe es bis heute nicht gewagt, diese Nummer für mich in Anspruch zu nehmen, da ich die 1 im deutschen Tor noch immer mit ihr verbinde. Mein absolutes Vorbild, Ivy Frank, hat mir dann die 20 zugeteilt und gesagt, die Nummer würde zu mir passen. Seitdem habe ich die Nummer auch nie infrage gestellt.

Zurück zur EM: Was erwartest du von Gruppengegnerinnen wie Frankreich und Irland, gegen die ihr noch nicht so häufig gespielt habt?

Irland ist ein konterstarker, robuster Gegner, der darauf wartet, Fehler zu bestrafen. Man muss 60 Minuten hellwach sein. Frankreich hat zu den Olympischen Spielen zu Hause beträchtlich aufgestockt und den Hockeysport professionalisiert. Deswegen bin ich gespannt, ob sie diese Entwicklung auch nach den Spielen fortgeführt haben und was uns bei der EM für eine Mannschaft erwartet. Nichtsdestotrotz muss unser Anspruch sein, dass wir diese Mannschaften schlagen.

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