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Interview mit Viactiv

Jean Danneberg zu den Olympischen Spielen

02. September 2024

Bei mir zu Gast heute ist Jean Danneberg, Torwart der deutschen Feldhockey-Nationalmannschaft. Schön, dass du Zeit hast – die Olympischen Spiele in Paris sind ein paar Tage her. Wie geht es dir? Was machst du gerade? 

Ja, mir geht's gut. Vielen Dank, dass ich hier sein darf. Ich bin jetzt wieder zu Hause gestrandet, komme gerade aus dem Urlaub und fliege morgen quasi direkt weiter. Also mache ich hier sozusagen Zwischenstopp und packe ganz wild meine Koffer ein und aus.

 

Wie oft denkst du in diesen Tagen an Paris – an deine ersten Olympischen Spiele? 

Also ehrlich gesagt fast täglich. Wir haben da so viel erlebt und auch die mediale Präsenz war enorm hoch, sodass man auch fast täglich damit konfrontiert wird. Gerade ist es sehr viel, was die Nachbetrachtung der Olympischen Spiele angeht. Jeder will O-Töne oder eine kleine Zusammenfassung haben – gerade, wenn man Freunde und Familie trifft, die man in den letzten Wochen ja nicht sehen konnte aufgrund der Olympischen Spiele. Da ist das Thema Paris natürlich immer präsent.

Gibt es eine Sache oder Szene, an die du am meisten denkst? 

Ich würde sagen, am meisten denkt man tatsächlich an das Finale, an unsere Niederlage, die wir bei diesem Turnier leider einstecken mussten. Das ist einfach ein Punkt, der die meisten im Team am meisten schmerzt und etwas, das man sich durchaus anders vorgestellt hätte. 

Lass uns über die Spiele reden. Da gab es sicher viele Highlights. Klar, das Finale war wahrscheinlich das prägendste, aber auch im Vorfeld gab es einige spannende Spiele. Ich habe zum Beispiel das Spiel gegen Großbritannien gesehen, das gegen Ende einfach unfassbar spannend wurde. Da habe ich mich gefragt: Ganz ehrlich, was geht dir da durch den Kopf als Torwart? Was denkst du in dem Moment, als es 90 Sekunden vor Schluss noch zu einer Strafecke für die Briten kommt? 

Also ich kann definitiv sagen, dass ich in solchen Momenten nicht erfreut bin, wenn man kurz vor Spielende noch führt und dann so eine große Torchance gegen sich bekommt. Aber man ist so fokussiert, dass man alles andere ausblendet und sich nur auf seinen Job konzentriert. Man versucht, die Situation bestmöglich zu bewältigen und blendet alles andere aus – den Spielstand, die verbleibende Spielzeit. Man konzentriert sich nur auf diesen Moment. 

Es gibt Spieler, die wirken immer ruhig, wie zum Beispiel Toni Kroos im Fußball, aber ich habe dich anders wahrgenommen. Du bist emotionaler auf dem Platz. Würdest du das auch so sehen? 

Ja, auf jeden Fall. Emotionen, ob positiv oder negativ, sind für mich unglaublich wichtig. Sie geben mir einen extra Kick, besonders die positiven Emotionen, aus denen ich noch mehr Energie schöpfe. Für mich gehören Emotionen einfach dazu, seitdem ich Hockey spiele. Ich freue mich, dass ich auf dem Hockeyplatz die Plattform habe, diese auch auszuleben und mein Team damit positiv zu unterstützen. 

 

Wenn man emotional ist, besteht da nicht die Gefahr, dass man die Konzentration verliert? 

Ich versuche, meine Emotionen erst nach einer Aktion rauszulassen. Wenn ich den Ball halte, freue ich mich, aber vorher, in heiklen Situationen wie bei den kurzen Ecken gegen Großbritannien, ist es unglaublich wichtig, konzentriert zu bleiben. Ein guter Torwart zeichnet sich durch die Balance zwischen Ruhe und Emotion aus. Man muss bis zur letzten Millisekunde cool bleiben und erst dann die Emotionen rauslassen. Das gibt einem dann Energie für die nächsten Minuten. 

Arbeitet ihr auch mit Mentaltrainern, um solche Situationen zu trainieren? 

Ja, wir arbeiten mit Mentaltrainern und Sportpsychologen zusammen. Auf unserem Niveau ist das enorm wichtig. Nicht jeder braucht das, aber ich persönlich finde es hilfreich, um Spielsituationen richtig zu verarbeiten und daraus zu lernen. 

 

Bei den Olympischen Spielen waren Großbritannien, Argentinien und die Niederlande dabei – große Namen im Hockey. Habt ihr euch von Spiel zu Spiel fokussiert oder war das Ziel klar: das Finale und die Medaille? 

Unser übergeordnetes Ziel war es, am Sonntag ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Aber wir haben uns von Spiel zu Spiel vorbereitet, da die Gegner von hoher Qualität waren. Da darf man sich eigentlich gar keinen Ausrutscher leisten und falls doch, dann aber wirklich nur einen einzigen, wie zum Beispiel im Spiel gegen Spanien. 

Wie wichtig ist für euch und für dich auch der Teamgedanke? So gefühlt am TV-Schirm zu Hause hatte ich schon das Gefühl, dass da eine Art Familie auf dem Platz steht. 

Gerade durch die Gegebenheiten bei den Olympischen Spielen mit dem Olympischen Dorf, unserem kleinen deutschen Haus, das wir da haben, wohnen wir extrem eng zusammen. Es gab zwischendrin zum Beispiel auch ein Achter-Apartment bei uns, wo dann einfach acht Leute in einer kleinen Wohnung zusammenleben. Das verbindet natürlich auch. Es ist eben kein Fünf-Sterne-Luxushotel, wo jeder seinen eigenen Weg gehen kann, sondern man sitzt dann doch tatsächlich mehr aufeinander. Das haben wir aber, ehrlich gesagt, sehr positiv angenommen. Wir haben das Ganze eher wie ein Bootcamp oder eine Klassenfahrt empfunden. Wir haben einfach das Beste aus der Situation gemacht. Wir kennen uns auch schon alle unglaublich lange. Dementsprechend wissen wir genau, was man wann tun sollte, wie zum Beispiel, dass man um 8:00 Uhr morgens nicht die Kaffeemaschine anmacht, wenn nebenan noch jemand schläft. Für das, was ich wahrgenommen habe, war das Ganze, glaube ich, sehr gut gemanagt. Am Ende des Tages war man dann aber doch froh, wieder alleine in einem Bett zu schlafen und dass wir irgendwann wieder getrennte Wege gehen. Doch ich glaube, das hat uns eher zusammengeklebt als voneinander entfernt. 

 

Das Spiel gegen die Nachbarn aus den Niederlanden war, wie auch in vielen anderen Sportarten, ein heißes Duell… 

Das Spiel war unfassbar spannend. Am Ende ging es dann ins Shootout, was ja auch in der Vergangenheit schon oft entscheidend war, etwa bei der Weltmeisterschaft. Dann kam das orange Trikot auch schon auf mich zugerannt. 

Wie war das? 

Also beide Teams waren unglaublich bedacht und spielten defensiv, wie es für ein Finale typisch ist. Es steht selten 5:0 oder 5:2, sondern es geht sehr eng zu, und es kommt weniger zu gefährlichen Situationen als in einem normalen Spiel. Deshalb läuft es häufig auf einen Showdown hinaus, was man auch schon im Bauchgefühl hatte. Im Shootout herrschen eigene Regeln und Gesetze, wie beim Elfmeterschießen im Fußball. Man kann einen guten Tag haben und zwei Schüsse halten und trotzdem verlieren. Das gehört leider zum Sport dazu. Wir hatten volles Vertrauen in unsere Schützen, die in der Vergangenheit fast immer getroffen haben. Dass es im Finale nicht klappte, ist natürlich ärgerlich, aber wir sollten uns nicht allzu viele Gedanken darüber machen. Ich bin sicher, dass wir uns wiedersehen werden, und dann sind wir besser vorbereitet. 

 

Es ist natürlich eine Extremsituation für den Torwart, dieses Eins-gegen-Eins-Gefühl, fast wie im Wilden Westen. Trotzdem freue ich mich immer darauf. Aber nach der regulären Spielzeit einfach mit einem Tor vorne zu liegen, ist natürlich auch nicht schlecht. 

Für mich ist es eine kleine Hassliebe. Natürlich ist es besser, das Spiel nach der regulären Spielzeit zu gewinnen, weil Sieg eben Sieg ist. Aber wenn es ins Shootout geht, kommt bei mir doch eine gewisse Freude auf, weil das meine Spezialität ist und ich dann noch mal ganz anders im Mittelpunkt stehe. Es ist eine riesige Verantwortung, für das Team da zu sein und die Bälle zu halten, aber ich freue mich immer auf den Shootout. Trotzdem nehme ich einen Sieg in der regulären Spielzeit auch gerne. Ich freue mich auf das nächste Duell gegen Holland. Es wird sicherlich noch einige geben, wir sind ja noch jung. Ganz akut stehen ja auch weitere Events an, etwa in Gladbach. Das Feld wird schon gewässert. 

 

Du sprichst es an, wie geht es weiter? 

Das nächste große Turnier, das wir anpeilen, ist die Europameisterschaft in Mönchengladbach. Davor gibt es natürlich noch Bundesliga-Alltag und ein paar Reisen mit Spielen. Aber das übergeordnete Ziel ist die Europameisterschaft. Es ist immer etwas ganz Besonderes, eine Heim-EM zu haben. Ich erinnere mich noch an die Spiele bei der WM im letzten Jahr vor ausverkauftem Haus in Mönchengladbach – das ist eine unglaubliche Ehre, dort auf dem Platz zu stehen, und ich freue mich sehr darauf. Ich hoffe, dass wir diesmal mit der richtigen Medaille um den Hals nach Hause gehen. 

 

Das hoffen wir natürlich auch und wir als VIACTIV werden, wie bei der Weltmeisterschaft im letzten Jahr, auch bei der Europameisterschaft wieder vor Ort dabei sein und uns wieder einiges einfallen lassen. 

Vielen Dank für das Interview und deine Zeit. Ich wünsche dir eine erfolgreiche Bundesligasaison, viel Gesundheit und keine Verletzungen. Genieße deinen Urlaub!

 

Das Gespräch führte Tobias Dunkel

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