EM 2021: Sonja Schwede ist unsere Offizielle bei der EM in Amsterdam
06. June 2021
Dortmunderin erstmals Technical Delegate bei EM / Im Interview erzählt sie über ihre Funktion
06.06.2021 – Zehn Tage dauern die EuroHockey Championships im niederländischen Amsterdam vom Auftaktspiel der deutschen Herren am vergangenen Freitag gegen Wales bis zum Damen-Finale am kommenden Sonntag. Für die DANAS und die HONAMAS sind das in den Gruppen- und Platzierungsphasen jeweils fünf Spiele, unsere deutschen Unparteiischen Bockelmann, Meister und Göntgen greifen im Schnitt viermal zur Pfeife. Zuzüglich des einen oder anderen Mals vor den Bildschirmen als Videoschiedsrichter*in. Eine Deutsche ist jeden Tag im Einsatz – und bleibt dabei trotzdem meist im Hintergrund. Die Rede ist von der Dortmunderin Sonja Schwede (Foto Hallen-EM 2020 in Berlin; © Worldsportpics/Frank Uijlenbroek), sie ist bei den Europameisterschaften „Technical Delegate“. In einer kleinen Turnierpause sprachen wir mit ihr über ihre Funktion, ihre Rolle bei Strafen und den Umgang mit dem Corona-Protokoll.
Hallo, Sonja-Annabell Schwede, 14 verschiedene Turniere führt der Hockey-Weltverband FIH in seiner Datenbank, bei denen Du im Einsatz warst. Darüber hinaus warst Du etliche Male für European Hockey Federation (EHF), bei kontinentalen Club-Meisterschaften und bei Deutschen Endrunden und Jugendendrunden im Einsatz. Aktuell bei der EM in Amsterdam bist Du erstmals „Technical Delegate“ bei einem der Top-Turniere. Kannst Du etwas mehr zu Deiner Funktion sagen?
Schwede: Hallo. In Amsterdam bin ich einer von zwei Technical Delegates, früher hießen die Turnierdirektoren. Ich bin für das Damenturnier verantwortlich und meine Aufgabe vor Ort ist es, die Abläufe zu beobachten, für die Abstimmung mit den Mannschaften, die Turnier-Briefings, zu sorgen. Vor einem Spiel sind wir Offiziellen zum Beispiel dafür zuständig, dass die Mannschaften wissen, welche Trikotfarben sie tragen müssen, wann sie in der Datenbank des FIH das Line-up eingeben müssen und unter welchen Umständen und bis wann sie Spieler*innen in ihrem Kader bei Ausfällen auswechseln können. Zudem setze ich die Offiziellen an.
Du sprichst die anderen Offiziellen an. Du machst das als Technical Delegate ja nicht alles allein, Du koordinierst in den meisten Fällen eher die Abläufe. Wer unterstützt Dich dabei noch?
Das sind vor allem die Timing und Scoring Judges und die Technical Officers. Die beiden Judges sitzen gemeinsam am Turniertisch. Der Timing Judge ist zuständig für die Zeitnahme, das Starten und Stoppen der Spielzeit und die Darstellungen auf dem Scoreboard, wie zum Beispiel, ob Video-Referrals schon genommen wurden oder nicht. Der Scoring Judge ist zuständig für das Tournament-Management-System, die Datenbank der FIH. Darin geben die Mannschaften ihre Line-ups bekannt und der Scoring Judge ergänzt im Spiel, wann welche Spielerin oder welcher Spieler den Platz erstmalig betreten hat, welche persönlichen Strafen es wann und aus welchem Grund gab. Der Technical Officer ist das Bindeglied zwischen Turniertisch und den Mannschaften. Er überwacht die Zeitstrafen, hält Kontakt zu den Teammanagern, schaut, dass Abläufe wie das Wechseln – zum Beispiel nicht während einer Strafecke – stimmen. International organisieren die Technical Officers zusammen mit den Teammanagern auch das Benehmen auf der Bank und greifen ein, wenn Trainer zu engagiert sind. Ein bisschen ist das zu vergleichen mit den vierten Unparteiischen beim Fußball.
„Während des Turniers gehören Hearings zu unseren Aufgaben.
Das sind Gespräche mit Beteiligten bei gehäuften Verstößen.“
Wenn also während der Spiele alles gut läuft, kannst Du dann eher im Hintergrund bleiben und musst nicht eingreifen. Vor und nach den Spielen ist das aber schon anders, oder? Da bist Du mal mehr gefordert?
Ja. Zum Beispiel muss ich bei den Schläger- und Ausrüstungstests vor Beginn des Turniers entscheiden, ob sich bestimmte Ausrüstungsteile, etwa Equipment zur Eckenabwehr, innerhalb der Regularien bewegt. Im Zweifelsfall lege ich das der FIH vor, wo es dann final geklärt wird. So fiel vor kurzem während der Pro League ein neuer Oberschenkelschutz auf. Im Vorfeld der EM wurde geklärt, dass solche Ausrüstungsteile verboten sind und wir konnten das im Briefing den Mannschaften mitteilen.
Solche Fragen kannst Du als meist im Vorfeld des Turniers klären. Wann bist Du im Turnier noch gefragt?
Während des Turniers gehören Hearings zu unseren Aufgaben. Das sind Gespräche mit Beteiligten bei gehäuften Verstößen, zum Beispiel mehreren gelben Karten, oder gegen den „Code of Conduct“. Diesem Verhaltenskodex unterliegen alle Beteiligten hier, er umfasst solche Punkte, wie das Verbot, Wetten auf Spiele abzuschließen oder das ordentliche Benehmen in den sozialen Medien. Wir schauen auch immer, wo wir Konflikten vorbeugen können. So versuchen wir im Vorfeld der einzelnen Spiele, alle Fragen der Teammanager zu beantworten und achten etwa bei der Positionierung von Kameras immer darauf, dass es für den Fall von Shoot-outs möglichst immer eine Kameraeinstellung gibt, die sowohl Torlinie als auch Shot-Clock einfangen kann. So kann es bei möglichen Video Referrals eine schnelle Entscheidung geben.
Du spricht vom Wir, denn Du bist nicht die einzige Technical Delegate bei den Europameisterschaften, oder?
Richtig, zwar ist das für mich bisher das größte Turnier als Turnierdirektorin, aber mit dem zweiten Technical Delegate Steve Catton aus England habe ich einen Partner an der Seite, mit dem ich schon häufig zusammengearbeitet habe. Wir unterstützen uns gegenseitig: Auf dem Platz pfeifen die Männer zwar die Männer und die Frauen die Frauen, bei uns mixt sich das. Wenn zum Beispiel Hearings mit deutschen Spielerinnen oder Mannschaftsoffiziellen anstehen, dann übernimmt Steve Catton das für mich und umgekehrt, um größtmögliche Neutralität zu wahren.
„Wir selbst leben hier in unserer eigenen „Officials-Bubble“,
die sich nicht mit denen der Teams überschneidet.“
Natürlich spielen bei diesen Europameisterschaften Hygienemaßnahmen eine große Rolle. Wie sieht da Dein Aufgabenbereich aus, was muss mit Blick auf Covid beachtet werden?
Es hatte ja etwas gedauert, bis wirklich klar war, dass das Event überhaupt stattfinden kann und in welchem Rahmen. Was sind die aktuellen Regularien? Wie wird das vor Ort gehandhabt? Das sind im Rahmen der „Covid-Guidelines“ alles Dinge, in die wir als Technical Delegates organisatorisch mit eingebunden werden. Natürlich auch, um die Mannschaften und alle Beteiligten zu schützen.
Wir selbst leben hier in unserer eigenen „Officials-Bubble“, die sich nicht mit denen der Teams überschneidet. Wir werden täglich getestet und dürfen uns wirklich nur zwischen Hotel und Stadion bewegen. Per Shuttleservice oder auf dem Fahrrad. Aber ohne Umwege und Zwischenstopps. Eigene Turnier-Physios, die gerade die Unparteiischen mal nutzen könnten und in seltenen Fällen auch wir Offizielle, fallen weg. Ebenso können wir auch Ärzte oder Physios der deutschen Mannschaften nicht in Anspruch nehmen.
Du wirst in diesen Tagen bei der EM also intensiv gefordert sein und immer wieder auch Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen müssen. Wie gelangt man eigentlich als Hockeyspielerin, die mit 13 Jahren in Dortmund beim TSC Eintracht das Hockeyspielen gelernt hat, in die Position einer Turnierdirektorin bei einer Europameisterschaft?
Nach Zwischenstationen beim HC Essen 99, Blau-Weiss Köln bin ich 2006 bei Rot-Weiss Köln gelandet und war da auch Spielertrainerin der 2. Damen und Jugendtrainerin. Zwar habe ich nie offiziell gepfiffen, aber als Jugendtrainerin kam man immer wieder in die Situation, pfeifen zu müssen. Als 2008 der Damen-Europacup der Landesmeister Damen bei Rot-Weiss ausgetragen wurde, fragte mich unsere heutige DHB-Präsidentin Carola Morgenstern-Meyer, damals selbst Turnieroffizielle, ob ich mithelfen möchte. Ein Jahr später wurde ich dann beim europäischen Hockeyverband als Offizielle gelistet. Seitdem habe ich an diversen EHF- und FIH-Turnieren als Offizielle teilgenommen, die Europameisterschaften in Amsterdam sind in einer solchen Funktion das bisher größte Turnier für mich. Auch in der Funktion als Offizielle gilt, dass man Erfahrung sammeln muss, um voranzukommen.
Sonja-Annabell Schwede, wir danken Dir für das Gespräch. (ao)